Demokratiearbeit als Teil von HR und Employer Branding

Sarah Biendarra, Comspace, Interview, Corporate Political Responsibility, Alexandra Leibfried

Als HR-Managerin der Digitalagentur comspace mit Sitz in Bielefeld macht sich Sarah Biendarra für Demokratiebildung stark. Bereits 2023 hat sie gemeinsam mit Kolleg:innen politische Werte definiert, die Teil der Arbeitgebermarke wurden. Im Interview erläutert sie, warum das die richtige Strategie war und wie sich die Corporate Political Responsibility von comspace weiterentwickelt.

  1. Liebe Sarah, Du hast als HR-Managerin bei comspace früher als viele andere Firmen einen bemerkenswerten Prozess angestoßen: Das Unternehmen hat eine Corporate Political Responsibility erarbeitet. Für alle, die Dich bzw. Euer Unternehmen noch nicht kennen: Was war für Dich der Auslöser?

Im Juni 2023 wurde in Deutschland das erste Mal ein AfD-Kandidat als Landrat gewählt. Einige Medien sprachen damals von einer Zäsur und auch bei comspace war schnell klar: Wir wollen etwas tun und uns gemeinsam für ein demokratisches Miteinander einsetzen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Sören Witt (Public Affairs & Networks) habe ich eine Initiative zu Corporate Political Responsibility gestartet, die wir später mit dem Hashtag #WirFürDemokratie überschrieben haben. Denn uns ist es wichtig, uns FÜR etwas einzusetzen, das Menschenrechte und letztendlich auch wirtschaftliches Handeln stärkt.

  1. Für dieses Engagement wurde Comspace im letzten Jahr vom Personalmagazin ausgezeichnet. Was hat diese Auszeichnung bewirkt? 

Die Auszeichnung ist eine tolle Wertschätzung für unser CPR-Engagement. Persönlich hat mich dabei bewegt, wie groß der Zuspruch unter den Anwesenden der Preisverleihung gewesen ist. Das Thema “Demokratisches Engagement von Unternehmen” wird mit viel Wohlwollen aufgenommen und wir erhalten Zuspruch für unseren Weg. Das zeigt mir: Da sind ganz viele potenzielle Akteure und Mitgestalter:innen für das Thema, die vielleicht nur auf eine Inspiration oder Verbündete warten, selbst in ihrem Unternehmen aktiv zu werden.

Bei der Wirkung nach Außen freut mich besonders, dass der Preis gezeigt hat, dass CPR kein Nice-to-have-Thema ist, sondern handfeste Relevanz in der HR-Arbeit haben kann. Unser Engagement mit #WirFürDemokratie zahlt ganz konkret auf unsere Employer Brand ein, generiert Bewerbungen und stärkt die Retention dadurch, dass Kolleg:innen sich einbringen und weiterbilden können, beispielsweise über die Schulungsreihe beim “Business Council 4 Democracy”.

  1. Viele Unternehmen scheuen sich, öffentlich Haltung zu zeigen. Gab es bei comspace interne Hürden oder Bedenken – und wie bist Du damit umgegangen?

Zum Glück kam unser Auftrag für die CPR-Initiative direkt aus unserer Geschäftsleitung und damit war der “Tone from the Top” direkt von Anfang an gesetzt. Und wir sind bewusst mit interner Grundlagenarbeit und breiter Beteiligung gestartet. Das heißt, wir haben in mehreren Workshops mit Kolleg:innen diskutiert, ein schriftliches Konzept zu unserer CPR-Haltung entwickelt, Sprechstunden angeboten, Fragen ausgeräumt, Formulierungen geschärft. Das hat dazu geführt, dass wir Ende 2023 mit einem klaren Fokus und der Unterstützung unserer Kollegin Annie Chen (Marketing & Communication) auch nach Außen mit #WirFürDemokratie aufgetreten sind.

Bedenken gab und gibt es schon, auch bei mir ganz persönlich: Was, wenn wir in den Fokus von antidemokratischen Gruppierungen geraten, einen öffentlichen Shitstorm abbekommen usw.? Dazu ist es zum Glück bisher nicht gekommen, vielleicht auch weil wir uns für eine möglichst anschlussfähige Positionierung entschieden haben. Trotzdem haben wir uns mit diesen Bedenken auseinandergesetzt und interne Guidelines entwickelt, wie wir in solchen Fällen überlegt und strukturiert vorgehen und wann beispielsweise die Polizei hinzugezogen würde.

  1. Wie entwickelt sich die Corporate Political Responsibility bei Comspace aktuell weiter? Gibt es neue Formate, Projekte oder auch Alltagsroutinen, die politische Bildung und Teilhabe im Unternehmen stärken?

Aktuell entwickelt sich das Thema mehr von einem Projekt in einen Prozess. Wir nutzen wiederkehrende Anlässe für interne Kommunikation und Aktionen. In NRW steht zum Beispiel die Kommunalwahl am 14.09. an und unsere Kolleg:innen bekommen wieder einen Tag Sonderurlaub, wenn sie sich als Wahlhelfende engagieren. Wir setzen weiterhin auf Austausch, auch mit anderen Unternehmen und haben noch einige Ideen für neue Maßnahmen in petto, die wir umsetzen wollen, zum Beispiel Lunch & Learn Formate mit thematisch passenden Gästen.

  1. Laut dem Monitor Unternehmensengagement 2025 bekennen sich viele Unternehmen zwar zu demokratischen Werten, halten sich aber mit konkreten Maßnahmen zurück – oft aus Angst vor Reputationsrisiken. Wie erlebst Du dieses Spannungsfeld?

Diese Abwägung kann ich sehr gut nachvollziehen. Zum einen finde ich es deswegen besonders wichtig, dass Unternehmen sich vorher intern klar darüber sind, wofür sie sich engagieren möchten. Da kann es auch wirklich helfen, sich Begrifflichkeiten mal genauer anzuschauen und sich auseinanderzusetzen, was z. B. “Demokratie” individuell bedeutsam macht und wo das Unternehmen Rote Linien zieht. Bei uns läuft diese Abgrenzung beispielsweise beim Konzept der “Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit” des Bielefelder Konfliktforschers Dr. Andreas Zick.

Zum anderen geht es meiner Meinung nach um die konstruktive Ausgestaltung genau dieses Spannungsfeld zwischen “Haltung zeigen” und “Anschlussfähigkeit behalten”. Ein Leitsatz in unserem CPR-Konzept ist: “Wir wollen informieren, nicht missionieren.” Das heißt wir wollen (und nebenbei: dürfen) niemandem vorschreiben, welche Partei eine Person wählen sollte. Diese Perspektive vereinfacht eine konstruktive Auseinandersetzung auch viel zu stark. Vielmehr geht es darum, sich auf einen gemeinsamen Weg zu machen, Austausch zu fördern und dann Haltung sowie Konsequenzen zu zeigen, wenn konkrete Rote Linien überschritten sind.

Und drittens darf man dazu nicht vergessen, dass demokratisches Engagement und eine klare Haltung auch ein starkes Reputationssignal sein können. Wir haben jedenfalls von unseren Kunden und Geschäftspartnern in der Anfangsphase viel Zuspruch bekommen, der uns ermutigt hat, unseren Weg weiterzugehen. Und vielleicht bietet sich bei dem ein oder anderen Unternehmen sogar die Chance auf eine unternehmensübergreifende oder regionale Initiative, bei der Know-How gebündelt und Ressourcen gezielter eingesetzt werden können.

  1. Die Demokratie steht unter Druck – nicht nur parteipolitisch, sondern zunehmend auch im Schulalltag und in Unternehmen. Welche Verantwortung siehst Du bei Arbeitgebern?

Zu allererst sehe ich eine große Chance: Unternehmen sind einer der wenigen Orte, in denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven zusammenkommen. In ihnen liegt also großes Potenzial, durch Dialog und Lernen von- und miteinander demokratische Werte wie Toleranz, Respekt und Kompromissfähigkeit zu stärken.

Gleichzeitig sehe ich die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden zu den schon vorher angesprochenen Roten Linien und einer klaren Haltung zu jeglicher Diskriminierung. Ein pro-demokratisches Engagement ist ein starkes Signal an die (potenziellen) Mitarbeitenden, dass sie sich “sicher fühlen” dürfen, weil sie in einem Unternehmen arbeiten, das die Werte des Grundgesetzes ernst nimmt. Auch im B2C-Bereich kann es entlastend für Mitarbeitende sein, wenn sie das Unternehmen “hinter sich” wissen und z. B. rassistisch-beleidigende Kunden mit Verweis auf die unternehmerische Haltung zurechtweisen dürfen, ohne Sanktionen vom Arbeitgeber fürchten zu müssen.

  1. Was würdest Du anderen HR-Verantwortlichen oder Unternehmer:innen raten, die sich ebenfalls auf diesen Weg machen wollen?

Dazu habe ich drei konkrete Tipps:

1 Tone from the Top: Die Unterstützung vom oberen Management einholen. Es ist wichtig, dass das C-Level im Boot ist und mindestens intern, idealerweise auch öffentlich zu dem Thema sichtbar wird. Wenn ihr selbst die Unternehmer*innen seid: Holt HR ins Projekt, als strategischen Partner, Projektmanager und Verbindung zu den Menschen im Unternehmen.

2 Erwartungsmanagement & klare Kommunikation: Nehmt euch die Zeit, um auszudiskutieren und aufzuschreiben, was ihr mit eurem Engagement erreichen wollt und realistischerweise erreichen könnt. Bindet die Mitarbeitenden früh ein, beispielsweise durch Beteiligungsformate zum Start, transparente Kommunikation und Feedbackmöglichkeiten.

3 Fokus auf die “Erreichbaren”: Fördert ganzheitlichen Dialog und Information und setzt euch dabei realistische Ziele. Stärkt besonders diejenigen Mitarbeitenden, die engagiert und aufgeschlossen sind, z. B. durch Vernetzungsangebote und Schulungen.

Die Fragen stellte Alexandra Leibfried


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