Das Dilemma mit der Sichtbarkeit

Fotos, Visuals, ein knackiges Zitat oder lieber ein Reel? Vor dem Posten erstmal 3o Minuten kommentieren, die Gunst des Algorithmus gibt es nicht umsonst. Beiträge am besten morgens rausjagen, wenn alle vor der Arbeit angesagte Business-Themen checken. Schließlich will man sich unter die Expert:innen mischen, die ganz viel zu sagen haben. Und dann die spannende Frage – deren Antwort einem durchaus den Tag wieder versauen kann: Wie performt mein Thema? Hat die Goldene Erste Stunde das erwünschte Resultat gebracht, in der ich jeden Kommentar im Eilmodus zurück kommentiert habe, um die Reichweite anzukurbeln. Wenn die erste Stunde nicht läuft, weiß man meistens … der Beitrag dümpelt ab. Und richtig peinlich wird es, wenn nicht einmal die getaggten Personen liken, geschweige denn kommentieren.
Natürlich spreche ich von Linked In. Mein Social-Media-Hauptkanal seit mehr als zwei Jahren. Stark wachsend, gut für die Sichtbarkeit und das Netzwerken, aber eben auch zeitraubend und energiefressend. Selbst schuld, wenn man sich so vereinnahmen lässt? Beispielsweise, wenn man Zeit verschwendet mit Überlegungen wie: Woran hakt es? Das Bild zu schlecht, das Zitat zu lasch?! Man schielt zu den anderen, stärkeren Accounts – halb bewundernd, halb neidisch. Wieso läuft es dort immer besser? Zur Sicherheit lese ich noch weitere „Fünf Tipps für eine bessere Content-Strategie“. Bei dem Experten, wo ich das lese, brummt natürlich der Account. Kommentieren? Mindestens einen Kommentar müsste ich ja noch schreiben, um den jetzt schon beleidigten Algorithmus ordnungsgemäß abzukühlen. Sonst wird er vielleicht noch nachtragend. Aber will ich Kommentar 247 schreiben?! Neee.
Langen Atem will ich weiter beweisen. Also schnell den Contentplan für die nächsten Tage checken, das ein oder andere Thema anpassen. Mist – jetzt kommt der Regelbruch: einen Plan habe ich ja nicht. Beiträge langfristig zu planen, diese Regel liegt mir am wenigsten. Ehrlich gesagt, auch wenn ich es immer wieder versuche: Mein Contentplan ist mehr als wage, stimmungsabhängig und vor allem sträubt sich alles in mir dagegen. Ich will nicht, dass mir der Spaß verloren geht. Spontan macht mir Spaß. Punkt. Außer in der Zusammenarbeit mit anderen: In diesem Fall bin ich sehr verlässlich in der Planung und Abstimmung.
Dennoch merke ich, dass es Sinn macht, sich über eine Abmischung, auch auf anderen Kanälen, mehr Gedanken zu machen. Die Abhängigkeit zu reduzieren von einer Community, die selbst weitestgehend vom Algorithmus dominiert wird. Es wird auch nicht klappen, ständig auf großen Bühnen zu stehen für maximale Sichtbarkeit. Es liegt an mir den Mix breiter und zielgerichteter zu denken. Ein Ziel für die nächsten Wochen. Wobei neue Wege ja immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden sind und der Frage: Wer liest einen Gastkommentar auf dem Portal xy?! Und bringt mich eine Debatte in der Volkshochschule wirklich weiter? Oder sollte ich anders herum denken: Ist es nicht schön, genau diese Menschen weiterzubringen, die sich meine Impulse wünschen?
Veränderungen mag ich eigentlich weniger. Geschwitzt habe ich diese Woche schon kräftig, als ich meine ersten Reels auf Linked In gepostet habe, sogar auf Instagram, wo sich die cooleren Leute tummeln und auf YouTube, bei den absoluten Profis. Die Produktion war … anstrengend. Nein, es läuft nicht von allein. Weder die Zusammenarbeit mit einer ideenstarken, unglaublich geduldigen Creatorin, noch die eigenen Versuche, beeindruckende Impressionen stimmig zusammen zu schneiden. Und mit neuen Formaten in die Sichtbarkeit zu gehen, kostet mich richtig Mut. Davon erhole ich mich jetzt erstmal und hoffe, der Linked-In-Algorithmus honoriert wenigstens meinen Sprung ins kalte Wasser. Wenn er es mir schon nicht dankt, dass ich sonst alle seine Regeln in akribischer Reihenfolge kenne und beachte.
Vielleicht mögt Ihr das frisch eingestellte Video auf meiner Startseite ansehen? Meinen Unternehmenspitch sozusagen. Eines weiß ich auf jeden Fall: Schreiben bleibt meine Lieblingsdisziplin. Vorerst.
Herzlich,