Politische Bildung am Arbeitplatz – Chance oder Risiko?

Vielfalt als Unternehmenswert. Diesen Anspruch haben zukunftsgewandte Arbeitgeber. Diversity Management ist dort ein relevanter Faktor im Employer Branding. Doch wie sieht es mit Politischer Bildung aus? Raum für Austausch und Informationen rund um aktuelle politische Ereignisse, die niemanden von uns kalt lassen?! Debatten zur wachsenden Polarisierung in unserer Gesellschaft?! Und das so essentielle Bekenntnis zu unseren Grundwerten! Ist es nicht höchste Zeit, dass Employer Branding (auch) politisch wird?! Meine Haltung kennt Ihr längst: Ich sehe das als Chance im „War for Talents“. Viele Unternehmer und Entscheider:innen fürchten sich vor negativen Auswirken und empfinden politische Haltung als unkalkulierbares Risiko.
Kürzlich durfte ich darüber mit HR-Profis anlässlich des HR Collective-Treffens in Stuttgart diskutieren – danke für die Einladung und Organisation, liebe Nina Herrmann. Wir waren uns in der Runde einig: In einer Welt, die von Unsicherheiten und polarisierten Meinungen geprägt ist, suchen Menschen nach Orientierung. Unternehmen, die Position zu beziehen – zu politischen, sozialen oder ökologischen Fragen – schaffen Vertrauen und zeigen, dass sie sich auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Haltung bedeutet Mut, auch kontroverse Themen anzusprechen.
Die Idee, vielmehr der konkrete Wunsch, im Unternehmen „politische Räume“ zu öffnen, ist ungewohnt. Es gebe Scheu, Vorbehalte, Ängste – so hieß es. Doch sei es lohnenswert, dies voranzutreiben – als Wert einer Arbeitgebermarke und als Bekenntnis zu unseren gesellschaftlichen Werten, die uns verbinden.
Tipps, wie es gelingen kann:🎯Radikale Meinungen sind laut und präsent. Dem können wir etwas entgegensetzen und andere ermutigen, sich ebenfalls damit auseinander zu setzen. Wir können unsere Stimme, aber auch unsere Reichweite nutzen. Wir können auch innerhalb von Teams darüber diskutieren, oder als Führungskräfte Räume für Debatten bieten. Voraussetzung ist immer, dass ein Unternehmen dafür offen ist und die Leitplanken geklärt sind.
🎯Haltung zeigen gelingt im positiven Sinne, wenn wir es inhaltlich fundiert tun, ohne Polemik und fernab von Populismus. Auch im Unternehmenskontext können wir über Möglichkeiten diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Damit stehen wir nicht nur für Werte ein, die uns selbst wertvoll sind, sondern wir verteidigen unser demokratisches Fundament sowie unsere unternehmerische Freiheit.
🎯Einer muss anfangen. Ist das HR? Oder die Corporate-Infuencer:innen? Oder der CEO in seiner Rede zum Start der Weihnachtsfeier? Jede Initiative zählt und kann einen signifikanten Unterschied machen. Nicht nur in privaten Räumen, sondern auch öffentlichen und in Unternehmen. Zielführend ist es in meinen Augen, Werte hervorzuheben und Parteipolitik im Hintergrund zu halten. Das Augenwerk sollte auf dem Verbindenden liegen.
Best Practice und Inspiration: Es ist Zeit! Zeit, dass Unternehmen in den politischen Diskurs einsteigen und ihn als Chance verstehen. Gerade vor einer heranrückenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Das finden übrigens auch andere Menschen mit Einfluss und Reichweite. Sowohl auf dem LinkedIn-Account von Marc Raschke (Journalist/Unternehmer/Marketingexperte), aber auch Enrico Eberlein (Corporate Influencer der Deutschen Bank) finden sich viele Beispiele für Haltungsposts. Während Marc Raschke ganz gezielt auch Parteipolitik ins Visier nimmt, wählt Enrico Eberlein den Weg des „Dafürstehens“ und appelliert an gemeinsame Werte sowie den Zusammenhalt der Gesellschaft in deren Namen. Auch den LinkedIn-Account von Franzi von Kempis kann ich empfehlen als Inspiration für haltungsstarke Posts und Einordnung von aktuellen politischen Geschehnissen. Interessant auch ein Interview im Magazin t3n mit Cawa Younosi, Ex-SAP-HR-Chef und heute Geschäftsführer der Diversity-Initiative Charta der Vielfalt. Er bekräftigt darin: „Arbeitgeber können viel mehr tun als nur auf LinkedIn Haltung zeigen.“ In seinen Augen kann in Betrieben das Demokratieverständnis durchaus gestärkt werden.
Die Ausarbeitung einer Corporate Political Responsibility kann übrigens auch preiswürdig sein: Das Unternehmen Comspace, federführend hier mit People & Culture Managerin Sarah Biendarra, ist vom Magazin Personalwirtschaft dafür mit einem Sonderpreis Mittelstand geehrt worden.
Mehr Argumente könnt Ihr zudem in zwei Podcasts nachhören, bei denen ich mitwirken durfte:
Mittelstand hautnah Podcast I Christian Rahn: Folge 108: Zwischen Rückgrat und Risiko
Corporate Influencer Club Folge vom 1.11.2024